„So etwas wie jetzt an den Kinderkliniken ist noch nie da gewesen. Die Kliniken sind vollkommen überlastet und arbeiten im Krisenmodus. Wir wissen um diese schwierige Situation, sind dran und kümmern uns, damit jedes einzelne Kind in Deutschland auch optimal versorgt werden kann“, so die Kinderbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion Sarah Lahrkamp. Sie hat sich zusammen mit ihrer Kollegin Nezahat Baradari, die selbst Kinderärztin und seit einem Jahr Berichterstatterin für Kinder- und Jugendgesundheit im Gesundheitsausschuss ist, ein Bild der aktuellen Lage der Kinderkliniken in Deutschland gemacht.
Im Gespräch mit Prof. Dr. Mall, Ärztlicher Centrumsleiter für Frauen, Kinder und Jugendmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, wurden die aktuellen Missstände mehr als deutlich: Das RS-Virus grassiert in ungeahnter Weise und zunehmend kommen noch Influenza-Fälle hinzu. So eine Welle dauere mehrere Wochen und die Kinder seien mittendrin. Kinderkliniken sind auch nicht vergleichbar mit Stationen, wo Erwachsene behandelt werden. Kinder seien viel intensiver in der Betreuung und Eltern bräuchten Erklärungen, was ihren Kindern fehle. Dafür bräuchte es mehr Zeit und vor allem mehr Personal. Der Personalmangel verstärkt sich derzeit noch zusätzlich aufgrund eines hohen Krankenstandes. Kinder warten teilweise stundenlang in den Notfallambulanzen. Es sei daher laut Prof. Mall nun notwendig, dass Krankenhäuser in den Notbetrieb gehen und planbare bzw. nicht akut notwendige Operationen verschieben und ihr Personal möglichst zeitweise an die Kinderkliniken bzw. Stationen „abtreten“.
Ebenfalls kamen die kurz- und langfristigen Maßnahmen zur Sprache, mit denen die Koalition die Kinderkliniken stärken will. Gesundheitsminister Lauterbach hatte Anfang Dezember angekündigt, die mit Sanktionen belegten Pflegepersonaluntergrenzen auszusetzen, um so die Verlegung von Erwachsenenpflegekräften auf Kinder-stationen zu ermöglichen. Ebenfalls werden für die Pädiatrie und Geburtshilfe für die kommenden zwei Jahre insgesamt 840 Millionen Euro im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz zur Verfügung gestellt. Die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung erkennt in ihrer Stellungnahme vom 6. Dezember an, dass eine Reform der Krankenhauslandschaft die besonderen Bedarfe der stationären Kindermedizin berücksichtigen muss. Der Anteil der künftig vorgesehenen Vorhaltebudgets an der Gesamtvergütung soll bei Geburtshilfe und Neonatologie 60% betragen. „Die Pläne der Regierungs-kommission sind ein großer Schritt in die richtige Richtung. Aber auch in der Pflegeausbildung müssen wir unter Umständen noch einmal nachschärfen, damit genügend qualifiziertes Fachpersonal in den Kinderkliniken zur Verfügung steht“, erklärte die Gesundheitspolitikerin Baradari abschließend.
Die beiden Politikerinnen sicherten ihre Unterstützung zu und appellieren an alle Erwachsenen – insbesondere vor den anstehenden Feiertagen und den Kindern zuliebe – stärker Rücksicht auf die dramatische Situation der kranken Kinder zu nehmen. Daher möchten sie um Verständnis für die Rückstellung von verschiebbaren Operationen werben: „Kinder haben während der Corona-Pandemie stark zurückgesteckt. Jetzt sind sie es, die Vorrang vor den Erwachsenen haben!“